Mein reiterlicher Werdegang
Mein reiterlicher Werdegang begann wie bei fast allen pferdebegeisterten Mädchen bereits im frühen Kindesalter. Mit gerade einmal sechs Jahren durfte ich im örtlichen Reitverein mit Voltigieren anfangen. Danach ging es mit Longen- und Abteilungsreiten auf Warmblütern weiter. Der Unterricht fand damals in Gruppen bis zu 10 Reitern und ausschließlich in der geschlossenen Reithalle statt. Zum Teil gab es noch Ständerhaltung, ausgebundene Pferde im Unterricht, die mehr oder weniger brav ihre Runden drehten. Der Reitlehrer, der mit der Peitsche in der Bahnmitte stand – das war in meiner Jugend der vermittelte Standard. Mit 12 Jahren kam ich dank meiner Mutter zu den Islandpferden. Die Nähe zu Aegidienberg, Walter Feldmann Senior und Junior, ermöglichten nicht nur den regelmäßigen Unterricht. Zwischen meinem 12. Lebensjahr, bis ich nach dem Abitur nach Island auswanderte, hatte ich in Aegidienberg fantastischen Unterricht. Von Bodenarbeit bis Orientierungsritten im Siebengebirge. Vom Tölt Training bis hin zur Teilnahme an Turnieren, hatte ich die Möglichkeit mich weiter zu entwickeln. Viele Jahre führte mein Weg so oft wie möglich auf das damalige Gestüt Aegidienberg und ich unterstützte, wo es nur ging. 1989 wurde dort erstmals die Rasse des Aegidienbergers als neue Rasse aufgenommen.
5 Jahre Island (1989 – 1994)
Der Traum vieler islandpferdebegeisterter Mädchen ist es, nach Island zu reisen und dort mit Pferden zu arbeiten. Ich hatte das Glück, über fünf Jahre auf Island auf verschiedenen Höfen zu leben und dort viel über die Pferde, die verschiedenen Pferdetypen und -charaktere, die Menschen und ihre Kultur zu lernen. Meine ersten Erkenntnisse waren, dass mein bisheriges Wissen im Umgang mit jungen / rohen Pferden nicht funktionierte. Zum ersten Mal in meinem Leben kam ich mit Pferden in Kontakt, die bis zu ihrem 4. / 5. Lebensjahr in der Wildnis aufwuchsen. Meine Lehrjahre begannen… Ich durfte mit und von diesen Wildpferden lernen. Diese Erfahrung hat meine reiterliche Entwicklung bis heute stark geprägt.
„Wenn ein Isländer dir anbietet sein Pferd zu reiten, ist das das größte Kompliment, dass du bekommen kannst.“ Das Pferd hat in Island einen sehr hohen Stellenwert. Langezeit war es das einzig Fortbewegungsmittel in dem unwegsamen Gelände. Es war die Versicherung für seinen Reiter. Es wurde als Arbeitstier eingesetzt. Während meiner Zeit in Island habe ich viele Trainer, Bauern und Einheimische kennengelernt. Für alle war die Seele des Pferdes, sein Charakter und seine Zuverlässigkeit von größter Bedeutung. Das Pferd hatte immer einen besonderen Stellenwert.
Im Alter von nur 20 Jahren und als erste Deutsche überhaupt, durfte ich 1990 in Island bei der Jungpferdetrainer-Prüfung (Teil 1) der damaligen isländischen Reitervereinigung FT (Félag Tamningarmanna) teilnehmen. Schon damals erhielt ich auf die Grundausbildung meiner vorgestellten Pferde durchweg die Wertnote 9,0 und legte damit die höchstbewertete Prüfung der Vereinigung ab. 1992 folgte dann der zweite Teil der Prüfung. Inhalt war die Vorstellung selbst ausgebildeter Pferde im schweren Viergang, Fünfgang, in einer Tölt- und eine Dressurprüfung, sowie einem schriftlichen Test mit zusätzlicher „Hausaufgabe“. Damit erhielt ich wiederum als erste Deutsche die offizielle Berechtigung das „blaue Jacket der isländischen Nationalreiter“ zu tragen. In diesen fünf Jahren habe ich weit über 100 Jungpferde eingeritten und trainiert – eine Erfahrung, die mich stolz macht und für die ich sehr dankbar bin. Ich habe die Chance bekommen das Islandpferd in allen Facetten seiner Gangveranlagung kennen zu lernen, auszuprobieren und lernen zu dürfen.
Die Rückkehr
Im Jahre 1994 kehrte ich nach Deutschland zurück, absolvierte meinen IPZV Trainer B auf dem Gangpferdezentrum Aegidienberg und landete 1995 über einige Umwege in Hessen. In Egelsbach südlich von Frankfurt am Main, gründete ich eine eigene Islandpferdereitschule. 2001 entschied ich mich die Reiterei Nebenberuflich weiter zu führen und bewarb mich bei Lufthansa. Bis 2011 unterstützte ich nebenberuflich einen kleinen Islandpferdehof in der Nähe von Bad Homburg / Hessen bei Ausbildung der Pferde und im Reitunterricht. Vom Unterricht für Freizeitreiter bis zur Turnierbetreuung umfasste das Spektrum meines Unterrichtes.
Die Wende
Ein wichtiger und entscheidender Wendepunkt in meinem Leben als Reiterin und Trainerin war das Jahr 2011. Nach meinem ersten Reitkurs bei Stephan Vierhaus war meine Neugierde geweckt, dass es noch viele andere Möglichkeiten gibt ein Islandpferd / Gangpferd zu trainieren und auszubilden. Ich fing an die gängigen Ausbildungskonzepte zu hinterfragen, neue Trainingsideen auszuprobieren und daraus über die folgenden Jahre hinweg mein eigenes Konzept zu entwickeln.
Vielerorts verändern sich die Ausreitbedingungen und so werden Reiter und Pferd tagtäglich mit neuen Herausforderungen konfrontiert. Insbesondere in den Ballungsgebieten nimmt der Verkehr durch Autos stetig zu – aber auch in den Naherholungsgebieten begegnen einem die unterschiedlichsten “Gefahren”: Radfahrer, freilaufende Hunde, Inline-Skater, Kutschen oder auch Unterführungen und sonstige Engpässe. Ein Pferd, welches in diesen Situationen souverän bleibt und auch mal mehrere Minuten ruhig an einer Straße stehend warten kann, ist für den Reiter neben dem Sicherheitsaspekt vor allen Dingen auch ein Garant für ungetrübten gemeinsamen Freizeitspaß.
Auf der Internationalen Deutschen Gangpferdemeisterschaft IDMG 2017 habe ich die Bestätigung für mein ganzheitliches Konzept “Pferde alltagstauglich auszubilden” erhalten. Dort bin ich zum ersten Mal einen (Gaited) Working Equitation Trail geritten und als Deutsche Meisterin im Trail Schwer und Gesamtsieger der Gaited Working Equitation Schwer Klasse wieder nach Hause gefahren. Diese Erfolge bestätigen mir, dass man zur Ausbildung seines Freizeit- und Turnierpferdes keine Reithalle, kein Dressurviereck und keine Ovalbahn benötigt, da mein Training meist im Wald und Feld stattfindet.
Seitdem ist (Gaited) Working Equitation als Transfer Training elementarer Bestandteil meines Unterrichts und Beritt Programms. Reiter und Pferde lernen zum einen nahezu spielerisch mit und an den Hindernissen ihre Hilfen korrekt einzusetzen, zu verfeinern und zu verstehen. Zum anderen werden die Pferde dabei viel rittiger und der Reiter gewinnt an Souveränität und Sicherheit.
Heute
„Ich bin was ich bin, weil ich das tue, was ich tue!“. Heute lebe ich mit meinem Mann, meiner Familie und meinen Pferden in Dreieich-Offenthal. Dem Islandpferd bin ich treu geblieben und dankbar für die vielen Jahre, die ich mit und im Sattel dieser wunderbaren Pferde verbringen durfte. Meinen Erfahrungsschatz aus über 35 Jahren Reiterleben gebe ich in Form von regelmäßigem Unterricht, Beritt und Lehrgängen an Reiter und Pferde weiter. Wenngleich das aktive Turnierreiten in der Vergangenheit nie mein Fokus war, so habe ich mittlerweile nicht zuletzt durch die Gaited Working Equitation Freude daran gefunden, meine eigenen und die mir anvertrauten Pferde in einer Wettbewerbssituation zu zeigen und bewerten zu lassen. Wichtig war und ist mir immer die Erkenntnis, dass jedes Pferd individuell ist und dies auch in seiner Ausbildung berücksichtigt werden muss. Das Schema F führt nur selten zum Ziel – daher setze ich bewusst auf die gezielte Kombination verschiedenster Herangehensweisen und Trainingskonzepte, um zum gewünschten Ziel zu kommen.